Psychophysiologische Messungen

Psychophysiologische Kenngrößen liefern detaillierte Einblicke in die physische und/oder psychische Beanspruchung von Nutzer:innen bei der Interaktion mit technischen Systemen, Benutzeroberflächen und Arbeitsplätzen. Sie ergänzen subjektive Methoden wie Fragebögen oder Interviews durch objektive Messgrößen, die sich der direkten Einflussnahme von Nutzer:innen entziehen. In Forschungs- und Industrieprojekten erfassen wir am IAD vor allem die Muskelaktivität, Herzaktivität (Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität) und elektrodermale Aktivität (Hautleitwert) mit modernsten Messsystemen und werten diese im Anschluss deskriptiv und statistisch aus.

Die Elektromyographie (EMG) ermöglicht die Messung muskulärer Aktivität und wird besonders zur Analyse körperlicher Beanspruchungen, muskulärer Ermüdung sowie zur Bestimmung der „physiologischen Kosten“ als Maß der ergonomischen Qualität bzw. Kompatibilität von Arbeitsplätzen und Arbeitsmitteln eingesetzt.

Mithilfe der Elektrokardiographie (EKG) lassen sich Herzfrequenz und abgeleitete Parameter präzise messen. Sowohl Herzfrequenz als auch Herzfrequenzvariabilität sind dabei empfindliche Indikatoren für körperliche und mentale Beanspruchungen: Die Herzfrequenz steigt bspw. etwa bei mentalen Beanspruchungen an, während eine verringerte Herzfrequenzvariabilität auf eine gesteigerte mentale Beanspruchung hinweisen kann.

Zur Erfassung psychischer Reaktionen dient die elektrodermale Aktivität bzw. der Hautleitwert, der bei mentaler und emotionaler Beanspruchung ansteigt, da die Schweißproduktion die Hautleitfähigkeit durch Feuchtigkeit erhöht.

Ausgewählte Beispielanwendungen:

Noraxon Ultium EMG
Noraxon Ultium EMG
  • Am IAD setzen wir das Noraxon Ultium EMG-Messsystem ein, das mit einer Messfrequenz von bis zu 4000 Hz den Goldstandard für EMG-Technik darstellt. Die myoelektrischen Signale werden drahtlos über Oberflächenelektroden erfasst, die lokal auf die zu untersuchenden Muskeln nach wissenschaftlichen Standards, etwa des SENIAM-Projektes, geklebt bzw. appliziert werden. EMG wurde im Rahmen der Entwicklung und Evaluierung einer optimalen Lagerplatzvergabe beim manuellen Kommissionieren verwendet, indem in einer Nutzerstudie mit aufgebautem Lagerlayout die Muskelbeanspruchung im Arm-Schulter- und Rumpfbereich von manuell Kommissionierenden erfasst wurde. Darüber hinaus nutzten wir am IAD EMG, um die Wirkung passiver und aktiver Exoskelette auf die Muskelbeanspruchung im unteren Rücken und Arm-Schulter-Bereich von Arbeitspersonen bei repräsentativen Tätigkeiten in Automobilmontage und Baugewerbe mit ungünstigen Körperhaltungen wie Überkopfarbeiten oder dem Bewegen schwerer Lasten zu analysieren.
Polar H10 Brustgurt
Polar H10 Brustgurt
  • Für die Erfassung der Herzaktivität kommt bspw. ein unter der Brust getragener Polar H10 Brustgurt zum Einsatz. Das System erfasst die Herzfrequenz bzw. die R-Impulse, die über die Haut abgegeben werden. In einer empirischen Studie am Mensch-Roboter-Kollaborationsarbeitsplatz des IAD, an dem Nutzer:innen mit dem Sawyer-Roboter interagierten, wurde der Einfluss des gegebenen Gestaltungs- und Handlungsspielraums von Nutzer:innen in der Interaktion mit dem Roboter auf ihre Beanspruchung zum einen subjektiv durch das Ausfüllen des NASA Task Load Index und zum anderen objektiv durch die Erfassung ihrer Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität mit dem Polar H10 Brustgurt untersucht.
Shimmer3 GSR+ Unit
Shimmer3 GSR+ Unit
  • Die Shimmer3 GSR+ Unit dient zur Echtzeit-Erfassung der elektrodermalen Aktivität (EDA) und misst die Hautleitfähigkeit der Haut zwischen zwei Elektroden an den Fingern. Durch verstärkte Aktivität der Schweißdrüsen infolge eines Reizes erhöht sich die Feuchtigkeit, wodurch sich die Leitfähigkeit der Haut verbessert, da sich das Gleichgewicht von positiven und negativen Ionen verändert. Zusätzlich kann die Shimmer3 GSR+ Unit mit einem Ohrclip oder einer Pulssonde an der Zeigefingerspitze den Puls optisch erfassen, um die Herzfrequenz zu schätzen. Dank ihrer Kompatibilität mit Virtual-Reality-Headsets wurde sie bspw. in einer Studie in der virtuellen Realität eingesetzt, um die psychische Erregung von Fußgänger:innen in der Interaktion mit automatisierten Fahrzeugen zu messen.
Empatica EmbracePlus
Empatica EmbracePlus
  • Neben spezialisierten Messsystemen setzen wir am IAD auch Wearables wie Smartwatches (bspw. die Empatica EmbracePlus), die sich ideal für längerfristige digitale Arbeitsplatzanalysen eignen. Sie zeichnen physiologische Messgrößen wie elektrodermale Aktivität, Herzaktivität, Hauttemperatur sowie Bewegungsdaten auf, schränken die Mobilität nicht ein und sind beim Tragen unauffällig.

Wenn Sie wissen möchten, ob die Methode für Ihre Anwendung geeignet ist, können Sie uns gerne über den Kontaktbutton auf der rechten Seite kontaktieren. Ihr Anliegen wird dann direkt an unsere Expert:innen weitergeleitet.